Montag, 7. Juli 2014

Eine Horror-Nacht nach einem perfekten Tag

So perfekt die "Schlacht um den Buchstabenteich" und überhaupt der ganze Tag war, die darauf folgende Nacht war der blanke Horror. Der Weiße Kenianer bekam die ganze Nacht kein Auge zu und machte unfreiwillig unzählige zusätzliche Kilometer. Aber der Reihe nach …
… Der Bericht "Endlich Ironman - ein perfekter Tag" endete mit dem Zieleinlauf, aber das war noch lange nicht das Ende dieses denkwürdigen Tages.

Die Beine des Weißen Kenianers waren zwar komplett erledigt, als er über die Ziellinie schritt, aber er hatte weder Kreislauf- noch Magenprobleme und konnte den Triumph in vollen Zügen genießen. Schnell bei der Ziel-Labe zwei Cola gekrallt und auf ein Bierbankerl gesetzt. Noch nie war eine Bierbank so wertvoll, so erlösend und bequem - ein Königreich für ein Bankerl. Einfach nur sitzen, innerlich vor Freude Purzelbäume schlagen und zufrieden die erledigten Beine von sich strecken.

Nach dem Cola-Zuckerschub und ein paar Minuten am Bankerl fühlte sich der Weiße Kenianer wie neu geboren, allerdings nur bis zum Versuch sich locker lässig vom Bankerl zu erheben. Die Beine ignorierten den ersten Befehl "Aufstehen" des Gehirn völlig und rührten sich keinen Millimeter. Nur mit Hilfe des Kenianischen Gentlemans konnte sich der Weiße Kenianer wieder in den Stand hieven. Und die ersten schmerzvollen Schritte machten ihm klar, dass er jetzt einige Zeit - wahrscheinlich die nächsten Tage - steif wie Pinocchio durch die Gegend stelzen würde - die Oberschenkel waren hart wie Beton.

Im Robocop-Schritt schlich der WK aus dem abgesperrten Zielbereich für Krieger um seiner Weißen Kenianerin dankbar und überglücklich in die Arme zu fallen. Von allen Seiten hagelte es Gratulationen, der WK bekam alles nur wie in Trance mit. Im Schneckentempo machte sich der WK auf zum Irondome um sich endlich ein Ironman-Finisher-Shirt abzuholen, dass er auch wirklich - ohne Kilometerkorrekturen - und zu recht tragen durfte.

Endlich: Diesmal ein Ironman-Finisher-Shirt OHNE "Streichresultate"!

Als er beim Massage-Zelt vorbei kroch, dachte der WK bei sich, dass dies eine sehr gute Idee wäre um eventuell seine Beine wieder halbwegs locker zu bekommen. Zuvor stand mit der Pflicht-Dusche vor der Massage aber noch eine weitere Challenge an.

Eine große Schlacht ist auch eine Möglichkeit in 10 Stunden um 50 Jahre zu altern. Das Ausziehen der Laufschuhe und der Kenia-Strümpfe wurde zum Krampf bzw. Kampf und war nur unter großen Schmerzen möglich. Versucht doch einmal Schuhe und Socken auszuziehen, wenn sich die Beine nicht abbiegen lassen …

Irgendwie schaffte es der WK sich ohne Krampf-Anfälle zu duschen, auch wenn er in der Dusche mehrere Male wie ein Betrunkener wankte und gegen die Wände der Duschkabine knallte. Seine Füße übrigens - die 180 Kilometer in nagelneuen Radschuhen und dann 42 Kilometer in nagelneuen Laufschuhen gesteckt waren, hatten nicht einmal eine Druckstelle von Blasen ganz zu schweigen. Soviel zum eisernen Gesetz, dass man nie einen Marathon mit neuen Schuhen laufen darf …

Das Abtrocknen viel aus, und irgendwie schaffte er es wieder in seine Rüstung und ins Massagezelt ...

Nach der wohltuenden Massage konnte der Weiße Kenianer sein Gehtempo von 0,1 auf 0,2 km/h erhöhen - ein unglaublicher Fortschritt. Und so schlurfte er mit Kindund Kegel zurück zum Kenianischen Motorhome. Dort angelangt begann es ihn zu frösteln, obwohl es alles andere als kalt war. Also raus aus den nassen Sachen und rein in warme, trockene Kleidung - die schmerzvolle Prozedur des Umziehens dauerte maximal 30 Minuten …

Lustig wag auch das Abholen des HN-Schlachtrosses aus der Wechselzone. Ein Brüller der erste Tritt in die Pedale. Natürlich war noch ein fetter Gang aufgelegt und die Beine versagten, sodass er fast einen Umfaller am Stand produzierte.

Ab 18 Uhr regierte dann König Fussball. Niederlande gegen Mexiko. Der Magen des Weißen Kenianers hatte die Schlacht tatsächlich wunderbar überstanden, was die Tatsache bewies, dass das Riesen-Wienerschnitzel nicht nur bestens mundete sondern auch im Null-Komma-Nichts verputzt war.

Inzwischen war ihm auch nicht mehr kalt im Gegenteil - er hatte jetzt Hitzewallungen. Der leichte Schüttelfrost davor und die Hitzewallungen danach waren nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was ihn der Nacht auf ihn zukommen sollte. Nach einem kurzen Ausflug zur leider völlig verregneten Finish-Line-Party machte es sich der WK im Kenianischen Motorhome gemütlich.

Also er versuchte es zumindest. So recht wollte sich aber keine Schlafstellung finden lassen, bei der die Beine nicht schmerzten. Aber egal an Schlaf war ohnehin nicht zu denken, denn obwohl die Gebeine müde und erledigt waren ging es im Kopf schlimmer rund als beim Schwimmstart …

Um der Dehydrierung nach der Schlacht ein wenig entgegen zu wirken, hatte er vom Zieleinlauf bis zur Bettruhe fleißig getrunken - doch der Schuss ging jetzt nach hinten los. Völlig! Also um genau zu sein eigentlich nach vorne …

Mittlerweile hatte starker Dauerregen eingesetzt und jetzt begann der nächtliche Triathlon der Leiden des Weißen Kenianers.

1. Disziplin
Schlaf-T-Shirt und Boxershort samt Schlafsack komplett Durchschwitzen und danach von Schüttelfrost gepeinigt sofort wieder aus dem Sekundenschlaf erwachen.

Wechselzone:
Raus aus dem Schlafsack.
Raus aus den triefnassen Sachen, rein in trockene Sachen - die allerdings schön langsam ausgingen.
Schlafsack gegen Decke tauschen.
Wieder rein ins Bettchen - erneuter Schlafversuch.

2. Disziplin
Mit inzwischen komplett steifen Beinen - die Kniegelenke dürfte jemand ausgebaut haben -  bei strömenden Regen aus dem Bus und dem Vorzelt taumeln und zitternd im Schneckentempo durch die Nacht zum WC humpeln. Pinocchio mit Blaseninkontinenz und eingerosteten Scharnieren an den Gelenken. Nicht nur einmal überlegte er sich gleich im Regen vor dem Zelt zu erleichtern - aber das wäre Littering gewesen und hätte zur Campingplatz-Disqualifikation geführt.

3. Disziplin
Ohne eigenes Dazutun den Körper wieder auf Temperatur bringen und Dank immer wieder kehrender Hitze-Wallungen wie im Fieberwahn wieder alles Durchschwitzen. Hatte die große Schlacht bei Weißen Kenianer frühzeitige Wechseljahre ausgelöst?

Dieser nervenaufreibende und schmerzliche Eiertanz beschäftigte den Weißen Kenianer die ganze Nacht. Er absolvierte gefüllte 100 Durchgänge des geschilderten "Triathlons der Leiden" - tatsächlicher dürften es immerhin 5 bis 7 gewesen sein. Er absolvierte also zum Ironman in der Nacht noch zusätzlich eine Olympische Distanz ...

Als Sahnehäubchen der Tortur gingen im trockene Kleidung und Decken aus, sodass er die letzten Nachtstunden halbfeucht vor sich hin bibberte, während er versuchte sich leise in den Schlaf zu weinen. Positive Nebenerscheinung: Der Schüttelfrost besiegte die Wallungen, die nun ausblieben.
In den Beinen hatte er überhaupt kein Gefühl mehr - außer Schmerzen ...

Ganz ehrlich. Die Nacht war viel schlimmer als der Ironman selbst. So toll die Schlacht gelaufen war, so gemein war die anschließende Nacht. Und keiner, absolut keiner erzählt einem vorher was einem in der ersten Nacht nach einem Ironman-Finish erwartet. Die nächtlichen Dauerschmerzen dürften - ähnlich wie Geburtsschmerzen - unter den Betroffenen verdrängt und totgeschwiegen werden. Denn komischer Weise berichtete am nächsten Tag fast jeder Krieger von ähnlichen, nächtlichen Beschwerden. Geschlafen hatte keine so recht …

Sollte sich der Weiße Kenianer noch einmal zu einer großen Schlacht aufraffen, wird er sich danach im Ziel vorsätzlich ins Koma saufen um wenigstens bewusstlos zu sein, wenn schon an Schlaf nicht zu denken ist ...

Aber der nächste Tag entschädigte wieder einiger Maßen für die Horror-Nacht.

Der Weiße Kenianer absolvierte das gesamte Programm.

Erstes Highlight: Die sehr emotionale Slotvergabe. Der Dompteur 1.0 hatte mit dem 3. Platz in der M 40 seinen Slot - verdienter Weise - ja bereits fix in der Tasche, aber beim Kenianischen Gentleman und beim Hopfentee Kenianer war Hochspannung angesagt. Sie hatten in der M 50 die Plätze 5 und 6 belegt und 4 Slots wurden in dieser Altersklasse vergeben.

Die ersten beiden Aufgerufenen in der M50 zogen ihren Slot, und dann bei Nummer 3 blieb es ruhig im Zelt - niemand meldete sich. Zum Ersten, zum Zeiten und zum Dritten - noch immer Stille - und die Gewissheit, dass der Kenianische Gentleman seinen Slot tatsächlich in der Tasche hatte.

Bereits 2012 hatte sich der Kenianische Gentleman bei der legendären Hitzeschlacht am Buchstabenteich einen Slot erkämpft, ihn aber nicht angenommen. Diesmal wird er im Oktober nach Hawaii zur "Mutter aller Schlachten" fliegen. Herzliche Gratulation!

Der Kenianische Gentleman unmittelbar nach der Slot-Einlösung.
Sir Mandi fliegt im Oktober nach Hawaii zur "Mutter aller Schlachten"!

Und danach wurde die Spannung unerträglich. Nur noch ein Top-Platzierter müsste verzichten und der Hopfentee Kenianer würde die Möglichkeit erhalten den Kenianischen Gentleman nach Hawaii zu begleiten. Aber der Aufgerufenen zog seinen Slot und nahm dem Hopfentee Kenianer so die Entscheidung ab - denn dieser war sich bis zum Schluss unsicher ob er ins Land aller Triathlon-Träume fliegen sollte oder nicht …

Abgesehen vom Essen, das reichlich und gut war - vor allem das Dessert - war die offizielle Siegerehrung im Iron-Dome abends kein wirkliches Highlight. Da sollten die Ironman-Organisatoren einmal zum Xtrememan nach Ungarn fahren - die ungarischen Organisatoren und Sportler wissen wie man eine würdige, feierliche und emotionale Siegerehrung für Eisenmänner abhält.

Am Buchstabenteich begann man gleich mit dem Höhepunkt - der Siegerehrung der Profis, und danach war die Luft ziemlich draußen. Für Michael Weiß gab es wenig Applaus und einige Buh-Rufe, für Lisa Hütthaler noch weniger Applaus dafür noch mehr Buh-Rufe. Die beiden taten dem Weißen Kenianer fast leid, aber echte Krieger wollen keine Ex-Doper bei ihren Schlachten - abgelaufene Sperren hin oder her. Auch der Weiße Kenianer ist der Meinung, dass es für Doping-Sünder nur eine Sperre geben sollte - nämlich eine lebenslange!

Ganz ehrlich. Wenn Lisa Hütthaler an einem vorbeigeht, wird es finster. Hinter diesem weiblichen Cornetto können sich locker zwei Profi-Krieger umziehen. Tatsächlich wirken die Profi-Herren schmächtig gegen sie - von den anderen Ladies im Feld gar nicht zu sprechen …

An dieser Stelle möchte euch der Weiße Kenianer auf die Facebook-Seite "Keine Doper in unseren Rennen" hinweisen, auf der es rund um das Thema Doping stets interessante Beiträge und Diskussionen gibt. Wie zum Beispiel ganz aktuell, dass sich der ehemalige spanische Radprofi und überführte Doper Antonio Colom beim Ironman Frankfurt als Agegrouper einen Slot geholt hat …

Nachdem sie den Dompteur 1.0 am Podest beklatscht hatten, machten sich der Hopfentee Kenianer und  der WK rundum zufrieden auf in Richtung Little Kenia, schließlich galt es dort in den nächsten Tagen den Daheimgebliebenen immer wieder die gleichen Erfolgsgeschichten zu singen und Heldenlieder zu singen.

Im eigenen Bett in der Kenianischen Homebase in Little Kenia fand der Weiße Kenianer in der zweiten Nacht als frischgebackener Ironman auch ein endlich wenig Schlaf, auch wenn sein Körper noch immer auf Hochtouren rannte und beim Schlafen wieder überhitzte …

An dieser Stelle auch herzliche Gratulation an alle weiteren Kenianischen Krieger, die die große "Schlacht um den Buchstabenteich" erfolgreich gefinisht haben, wie die Kenianische Tri-Hüpferin,
der Kenianische Löwe, und der Graben-Kenianer 2.0.

Und hier noch einmal für alle Ungläubigen - der Weiße Kenianer kann es ja selbst fast noch nicht glauben - alles schwarz auf weiß bzw. weiß auf rot:


Abschließend gilt es noch ein endlos große Danke auszusprechen:

1. An meine wunderbare Familie und alle treuen Unterstützer, Daumendrücker, Buch- und Bologneser!
2. An meine Trainer von GDT - den unvergleichlichen Profi-Dompteur 2.0 
    und den über allen Dingen wachenden Kenianischen General.
3. An meinen Trainingspartner - den nie pünktlichen Comeback Kenianer.
4. An meinen Förderer, Material-Guru und Freund - den ehrwürdigen Stammeshäuptling.

Danke alleine wirkt bzw. klingt ein bisschen wenig und vermag bei Weiten nicht auszudrücken, was das Umfeld zur Erfüllung des Traums des Weißen Kenianers beigetragen hat. Aber vielmehr als "Danke" bringt der Weiße Kenianer nicht hervor - es fehlen ihm die Worte - und das will was heißen!

HAKUNA MATATA!

1 Kommentar:

  1. Lieber WK!
    Mal was Ernstes. Doping im Spitzensport ist wirklich ein heikles Thema. Ich bin weitgehend deiner Meinung, gebe aber zu bedenken, dass wir als ÖstereicherInnen die Erfolge unserer Schihelden, als sie die ersten waren, die begriffen hatten, dass Schifahren vor allem auch ein Kraftsport ist - erinnern wir uns alle an die gigantischen Muskelberge unserer Abfahrer! - mehr oder weniger begeistert genossen haben.
    Laut diversen Untersuchungen wird aber z.B. im Hobbybereich wie verrückt gedopt .... für eigentlich nix! Ok, die Steigerung der persönlichen Bestleistung um "sensationelle" 3 Minuten ist es schon wert, die eigene Gesundheit zu ruinieren :(
    Dass du und alle anderen tapferen Krieger nicht (!) dopen, ist natürlich für mich VÖLLIG klar, denn solche Verstöße würden ja direkt vor dem Kenianischen Ehrengericht landen und gegen Sanktionen, die dieses Gremium aussprechen kann, sind WADA&Co. ein "Lärcherlschaas"! :)
    Liebe Grüße von der anderen Seite der großen Barriere - Herwig

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