Mittwoch, 13. Juli 2022

Kitzbühler Radmarathon: Wasser marsch!

Gibt es etwas Schöneres als um 5:30 Uhr Früh im Regen zwei Kilometer zum Start eines 216 Kilometer langen Radmarathons zu rollen?

Nichts in den Gedanken des Weißen Kenianers. Er liebt das Besondere. Manche behaupten auch das besonders Depperte, da er besonders deppert sei. Aber auf solche depperten Diskussion lässt sich der Weiße Kenianer nicht ein. Dumm ist nicht wer Dummes tut, dumm ist der, der gar nichts tut. Mit dem Rad zum Start zu fahren - ja doch irgendwie "wired".

Um 6 Uhr fiel der Startschussfür die Elite-Fahrer. Um 6:05 Uhr starteten die wahren Stars. Hut ab vor Profis und AMS-Amateuren, die auch nichts anders tun als Radfahren. Aber alle Hüte ab vor Hobbetten und Innen die neben dem Training noch durch Hauptberuf und Family jetten.

Manche (Koschs) behaupten Radfahren sei nur eine Flucht vor der eigenen Frau. Der Kitzbühler Radmarathon war ein Rundkurs ...

Zuerst ging es auf den Pass Thurn. Dem Weißen Kenianer kein Unbekannter seit dem "Kultur-Marsch" mit der geilsten Boygroup aller Gehzeiten -"Der Lange Weg zur Bühne" mit Martin Kosch, Paul Sommersguter und Michael Großschädl von Graz nach Bludenz. 

Und ohne 85 kg schweren Anhänger und Mountainbike war der Pass erheblich leichter. Mit dem Rennrad und in einem Feld - samt Rad-Quenns - das einen über die Passhöhe zieht, muss man sagen, dass der Little Thurn ein radtechnischer Kindergeburtstag ist, vor allem mit dem was an diesem Tag noch kommen sollte. 

Nervig war allerdings, dass man bei Regen und naßer Fahrbahn in der Gruppe beim Windschattenfahren das Gefühl hat, die Vorderfrau oder der Vordermann halte einem einen Gartenschlauch mit Dreckwasser ins Gesicht.

Die Abfahrt vom Pass Thurn war so, als hätte dich Mama vom Kindergeburtstag abgeholt, allerdings mit dem Cabrio im Regen.

Als nächstes wartete der Gerlospass. Dieser gleicht schon mehr einem Geburtstag zum 50er. Anfangs lustig, aber spätestens nach 20 Uhr zach. Schlimm war auch die Mitternachtseinlage. Gefühlt 14 und tatsächlich 4 Mal ging es schon wieder bergab, nur um dann wieder und wieder nach oben zu gehen. Der Gerlos war die erste wirkliche Prüfung des Tages, und das nicht nur den Berg hoch.  

Die sensationelle, geile 20 Kilometer lange Abfahrt verwandelte sich bei Starkregen, Kälte und Nebel in einen Horrortrip für den Kenianer . Leider ist der Weiße Kenianer, der natürlich afrikanische Temperaturen gewöhnt ist, ein ziemliches Häferl bei Kälte. Er bibberte wie ein Zitterrochen und vor Kälte begann es ihn dermaßen zu "reißen", dass auch das Rad die Frequenz aufnahm. Und so tschepperte es den Kenianer talwärts und erstmals in seinem Leben war er froh, dass eine Abfahrt endlich doch irgendwann vorbei war. Gott sei Dank wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass er trotz Vorsicht, und vieler vorbeirasender Mitstreiter, mit 75 km/h talwärts fror.

Er freut sich sogar auf den nächsten wärmenden Anstieg. Dieser ließ nicht lange auf sich warten, denn mit der Gerlos verwandelte sich der Kitzbühler Radmarathon in eine Hochschwabbahn. Rauf rund, rauf runter. Die Abfahrten mündeten ständig in einem Gegenhang.

Den Weißen Kenianer verließ langsam der Mut, würde das ewig so weiter gehen? Warum war er bei der Frost-Abfahrt nicht ausgestiegen? Zum "Glück" hatte unser Krieger schon am ersten Gerlos-Anstieg geistig auf "Marsch-Befehl" umgestellt: nicht denken, einfach marschieren!

Durch das schlechte Wetter bekam er von der Umgebung praktisch nichts mit, zu beschäftigt und konzentriert war er aufs unmittelbare Fahrgeschehen und die Mitstreiter. Zeitweise hatte er das Gefühl am Ergometer zu sitzen und einfach, treten, treten, treten ...

Welcher Vollkoffer allerdings den Ergometer ins Kühlhaus unter die eiskalte Dusch stellte ...

Weiter ging es unter anderem durch das von den Stoakoglern besungene "Zell am Ziller", wo bekanntlich der "Kerl was will er" herkommt. (Kleiner Ausflug in die Rubrik unnützen Wissen.) 

Und dann wartete schon der Kerschenbaumer Sattel. Was gibt es zum Sattel zu sagen? 
Lange, schmale, steile Bergstraße und kein Pferd darunter.

Danach machte die Strecke eine anspruchsvolle - wenn auch gleich unnötige, sinnlose und substanz-zerrende - Extraschleife über Brandenburg nach Angerberg. Dem geneigten Leser sind die Reizwörter für den Weißen Kenianer sicher längst aufgefallen: Pass, Sattel und Berg.

Bei Kilometer 159 in Breitenbach wartet dann die letzte große Labestation. Übrigens kleinen Tipp an den Veranstalter, wenn man groß ankündigt, dass es vegane Wecker gibt, wäre es gut, wenn irgendwer wüsste welche das wohl wären. Aber der Weiße Veganer ist stets hilfsbereit und wird dem Veranstalter für 2023 A4-Kartons und Filzstifte zuschicken. Beschriftung kann so einfach sein. 

Über das Brixental ging es dann über die wohl meistbefahrene Bundesstraße der Welt. Der Kenianer fand eine kleine Gruppe mit zwei Holländern mit denen er in moderatem Tempo auf Kitzbühel zusteuerte. Einer der beiden fliegenden Dutchman ließ sich zurückfallen mit dem zweiten ging es mit optimalen Tempo und hoher, lockerer Trittfrequenz (also locker den Umständen entsprechend) weiter. Der Hüftbeuger, allen voran der rechte, hatte sich schon viel früher und auf luftigen Höhen verabschiedet. Wegen Überbeanspruchung geschlossen. Also wirklich zu. 

Und was macht so ein "zuer" Muskel auf der Vorderseite? 
Genau er zieht vor Wut von vorne hinten am Kreuz.

Der Weiße Kenianer beschloss allerdings sich weder vom Hüftbeuger beugen zu lassen, noch vom Kreuz ans Kreuz nageln zu lassen. Beine an die Macht. Weiter in der Marschroute, Schenkerl Marsch!

Also nach dem netten Flachländer, dem der Weiße Kenianer brav auf einem breiten Radweg neben der Bundesstraße folgte. So ein Radweg der ist lustig, so ein Radweg der ist schön - ich kann nach drei Kilometer schon die Sackgasse sehen.

Endlich der erste echte Weiße Kenianer Move des Tages. So kennt und liebt man den Kenianer. Den Orientierungssinn eines Toasters. Also schnappten Doc Holland-Day und der Kenianer ihre Räder. Klemmten sie sich unter den Arm und per Radschuh ging es im Storchenschritt durch die Bahnunterführung des kleinsten Bahnhofs Legolands.

Endlich wieder auf der Bundesstraße der 1000 SUVs pro Minute, ließ der Kenianer bei der nächsten Steigung den kompasslosen Holländer stehen wie eine Wohnwagen ohne Zugfahrzeug. Strafe muss sein. Merke: führe den Weißen Kenianer niemals in die Irre, das erledigt er von selbst. 

Irgendein Talent muss jeder haben!

Die letzten Kilometer bis zum Kitzbühler Horn versuchte der Kenianer recht unauffällig zu rollen, mit möglichst leichtem Tritt und hoher Frequenz. Sprich mit 2,5 Watt und 3,7 Umdrehungen pro Minute. Als er dann solo auf einem, diesmal richtigen, Radweg fuhr. Sah er aus der Ferne "seinen" Holländer die Bundesstraße entlang strampeln. Konsequent und mit Zug zum Tor wie Marco van Basten bei der Fussball EM 1988.

Ja und dann war es irgendwie soweit. Das Horn. Der WK näherte sich mit sehr große Respekt und 4 x Flasche leer. 2 x die Trinkflaschen in den Satteltaschen des Schlachtrosses leer und 2 x die Beine, die eigentlich schon vor zig Kilometern Feierabend machen wollten.

Aber was soll's. Aufi muass I! Aufi! Wieso eigentlich? Kein guter Moment für innenkörperliche Grundsatzdiskussionen. "Alle an Board die zum Vortrieb etwas beitragen können, legen sich bitte noch einmal so richtig ins Zeug. Der Rest: Schnauze!"

Den werten Garmin Ätsch am Lenker auf die Anstiegs-Seite gestellt und los ging es. 7,9 km to go sprach Ätsch und der Kenianer gab seinem Schlachtross die Sporen. Am Anfang zeigte sich das Horn noch von seiner humanen Seite.

1 down 7 to go.

Plötzlich war scho der erste Kilometer geschafft. Langsam wurde es steiler und da fuhr der Geist eines großen Österreichers, ach was, Europäers, geh, Weltbürgers - eines Halbgottes in weißen Fell-Moonboots in den Weißen Kenianers. Elegant wie Hansi Hinterseer begann er das Horn hochzuwedeln. "Ganz in Weiß hohl das Letzte raus", "Ganz in Weiß hau das Laktat raus".

2 down 6 to go.

Bei Kilometer 2 war die letzte Labe und der Kenianer schüttete sich 2 Dosen Cola in seine Trinkflasche. Schwer auggezuckert ging es weiter, das Horn war längst zum Ganslernhang geworden. Jetzt nur keinen Innenpedalfehler!

3 down 5 to go.

Ächz, schnauf, tritt, stöhn, fluch, furz, heilige Mutter Gottes und von vorne.

4 down 4 to go.

Und plötzlich war Halbzeit. Adelheid es is' nimma weit! Halbzeit. Ok das Horn liegt noch 4:0 vorne aber gegen die hinterseelischen Schlangenlinien des Weißen Kenianers war kein Horn gewachsen. Jetzt könnte ihn nur mehr eine Polizeikontrolle aufhalten. "Wissen sie, dass sie Schlangenlinien fahren?". "Wissen sie, dass das Horn bis zu 23 Prozent steil ist?"

5 down 1 to go.

Irgendwann gibt es beim Weißen Kenianer den Punkt, wo der Körper einfach aufgibt. Also den Widerstand. Ok der Idiot hört nicht auf bis er oben ist, ok dann Beine & Freunde treten bis zum bitterenEnde.

6 down 2 to go.

Laut Berichten des Roten Kenianers haben es vor allem die letzten beiden Kilometer aufs Horn in sich in Sachen Steigung. Daher plante der WK eine Pause 2 km vor dem Gipfel ein. Allerdings wedelte er inzwischen als hätte er nie etwas anderes getan. Er hatte eine guten Rhythmus gefunden und kurbelte sich mit soviel Frequenz wie möglich hoch. Und er pfiff auf die Pause.

7 down 1 to go.

Als unser Hansi Hinterseer des Schlager-Radsports die Flame Rouge erblickte und die Absperrgitter a la Tour de France schaltet er auf Euphoriebetrieb. Der Stolz trat links, die Vorfreude auf die Zielankunft rechts und so ging's dahin, sogar noch mit einem Fast-Zielsprint.

8 down 0 to go.
















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